Hungertuchbetrachtung 2021




Einführung:



Seit 1976 haben zahlreiche Künstler/innen eines der „MISEREOR-Hungertücher“ geschaffen.
Jedes Jahr verwenden es Gemeinden und Schulen, um sich in der Fastenzeit
und darüber hinaus mit drängenden Themen der Zeit auseinanderzusetzen.

In diesem Jahr wird es erstmals zusammen mit dem Hilfswerk
„Brot für die Welt“ der evangelischen Kirche vorgestellt.

Die Künstlerin des Hungertuchs, Lilian Moreno Sanchez, wurde 1968 in Chile geboren,
studierte Bildende Kunst in Santiago de Chile u München und lebt und arbeitet jetzt in Augsburg.

Das diesjährige Hungertuch

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum – Die Kraft des Wandels“ besteht aus 3 Teilen.

Basis des Bildes ist ein Röntgenbild, das den gebrochenen Fuß eines Menschen zeigt,
der in Santiago de Chile bei Demonstrationen gegen soziale Ungleichheit
durch die Staatsgewalt verletzt worden ist.

Das Bild besteht aus 3 Keilrahmen, die mit Bettwäsche aus einem Krankenhaus
und einem bayrischen Frauenkloster bespannt sind. Zeichen der Heilung
sind als goldene Nähte und Blumen eingearbeitet. Sie sind ein Zeichen der Solidarität und Liebe.

Leinöl im Stoff verweist auf die Frau, die Jesu Füße salbte (Lk 7,37f) und die Fußwaschung (Joh 13, 14ff).
Der Stoff ist nicht glatt und makellos, graue Flecken und Falten überziehen ihn.
Die Künstlerin hat Staub in der Hauptstadt Chiles auf dem „Platz der Würde“ eingesammelt
und in die Laken gerieben.
Die schwarzen Linien des Röntgenbildes als karge Bildsprache verweisen auf das Sterben Christi
und das Leiden der Menschen; dagegen stehen Gold u Blumen für Hoffnung und Liebe.

Während das Röntgenbild die ganze Härte des Schmerzes zeigt, symbolisieren die 12 Blumen aus Blattgold
die Kraft und Schönheit des neu erblühenden Lebens.
Die Linien vermitteln neben aller Schwere auch ein Gefühl von Leichtigkeit.
Sie scheinen zu tanzen:
Leben ist ein Prozess, der weitergeht – auch mit verwundeten und gehemmten Füßen
vertrauen wir auf die Kraft der Solidarität.

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ - dieser Vers aus Psalm 31 steht als Titel
über dem Hungertuch. Er beschreibt, was im Glauben alles möglich ist.
Das Bild des Fußes lässt uns an Aufbruch, Bewegung und Wandel denken; das Bild des „weiten Raumes“
lässt uns aufatmen, wenn die Füße schwach werden.
Unsere Füße tragen und stabilisieren uns. Sie treten und zertreten.
Verletzt verurteilen sie den ganzen Menschen zur Immobilität.
Sie hinterlassen ihren Abdruck und halten die Spur, wir lassen uns auf ihnen in die Weite Gottes tragen.

Gerade in der Fastenzeit sind wir eingeladen, umzukehren und für das Gute Leben aller Menschen aufzustehen.
Das Hungertuch kann uns berühren, so wie Jesus seine Freunde am letzten Abend berührt hat.
Er wusch ihnen die Füße als Zeichen dafür, dass sie zu ihm gehören und als Aufforderung,
in seiner Nachfolge neue Wege zu den Menschen zu finden. Stärker als in dieser Geste
lässt sich die unantastbare Würde nicht ausdrücken, die jedem Menschen zukommt.

MISEREOR sorgt sich um das Gute Leben aller Menschen, besonders der Armen,
und um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.
Wir wissen, dass wir die Dinge ändern können. Beginnen wir jetzt einen Aufstand für das Leben!


Zusammengestellt aus: Liturgische Bausteine von Misereor, Misereor Fastenkalender, MEF-Kurier des Erzbistums Paderborn




Psalm 31 „Gott, die sichere Zuflucht“ (Ps 31, 2 - 16),
aus dem der Titel des Hungertuchs entnommen ist:

Herr, ich suche Zuflucht bei dir.
Laß mich doch niemals scheitern; rette mich in deiner Gerechtigkeit!
Wende dein Ohr mir zu, erlöse mich bald!
Sei mir ein schützender Fels, eine feste Burg, die mich rettet.
Denn du bist mein Fels und meine Burg; um deines Namens willen wirst du mich führen und leiten.
Du wirst mich befreien aus dem Netz, das sie mir heimlich legten; denn du bist meine Zuflucht.
In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.
Dir sind alle verhaßt, die nichtige Götzen verehren, ich aber verlasse mich auf den Herrn.
Ich will jubeln und über deine Huld mich freuen; denn du hast mein Elend angesehn,
du bist mit meiner Not vertraut. Du hast mich nicht preisgegeben der Gewalt meines Feindes,
HAST MEINEN FÜSSEN FREIEN RAUM GESCHENKT.

Herr, sei mir gnädig, denn mir ist angst; vor Gram zerfallen mir Auge, Seele und Leib.
In Kummer schwindet mein Leben dahin, meine Jahre verrinnen im Seufzen.
Meine Kraft ist ermattet im Elend, meine Glieder sind zerfallen.
Zum Spott geworden bin ich all meinen Feinden, ein Hohn der Nachbarn, ein Schrecken den Freunden;
wer mich auf der Straße sieht, der flieht vor mir.
Ich bin dem Gedächtnis entschwunden wie ein Toter, bin geworden wie ein zerbrochenes Gefäß.
Ich höre das Zischeln der Menge – Grauen ringsum.
Sie tun sich gegen mich zusammen; sie sinnen darauf, mir das Leben zu rauben.
Ich aber, Herr, ich vertraue dir, ich sage:“Du bist mein Gott.“
In deiner Hand liegt mein Geschick; entreiß mich der Hand meiner Feinde und Verfolger!



Du stellst meine Füße auf weiten Raum

die Würde der Menschen:
der aufrechte Gang
auf Füßen die tragen
und brechen
und heilen
Blumen hast Du ausgestreut
unbeirrt mit Narben und auf Krücken
folgen wir dieser goldenen Spur.


Aus welchem Stoff sind wir?

Gewoben aus Erde und Sternenstaub
umhüllt von Deinem Auftrag:

Nackte kleiden
Masken nähen
Liebe schneidern
Mantel sein für diese Welt.

Spuren der Erde -
Spuren der Hoffnung

Wer sich die Hände nicht
schmutzig machen will
bleibt unberührt und heimatlos
schreib es in den Staub und lies:
die Hoffnung wurde Mensch!




Wieder stehen - Widerstehen

Die Fersen in den Boden stemmen
aufstehen, wieder und wieder
für das Recht einstehen
aufrecht, mit allen Wunden und Narben.

Wir sind verletzt

Unverletzlichkeit ist eine Lüge
niemand entgeht der Wunde,
dem eigenen, dem fremden Hass

suche die Blume auf dem Knochenfeld:
Blühendes Zeugnis allen Leids.


Auf Zehenspitzen

Plötzlich ent-lastet

hebe ich ab in deine Weite
ein Atemzug lang - Freiheit
nimm meine Hand
tanze mit der Liebe.



Goldfäden im Chaos
Ich habe genug gesehen, denkst du
doch jetzt erst zeigt sie sich:

die goldene Wundnaht

behutsam berührst du die Narben

noch Jahre später spürst du den Goldstaub
auf deiner Fingerkuppe.


Entnommen aus Meditation zum Hungertuch 2021/2022 von Ricarda Moufang



Das Ziel von Hedy Haas



Wie lange geht nun schon das ruhelose Wandern,
die Suche nach dem wahren Erdenglück?
Von einer Station schritt ich dann zu der andern,
die Sehnsucht ging mit jedem Schritte mit!

Oft war ich mutlos und unendlich müde.
Es dünkte mir das Ziel so fern und weit.
Doch niemals kam der so erhoffte Friede,
und meine Seele blieb voll Traurigkeit!
Ein Kinderlachen, und ein Vogelsingen
hat oft mein Herz voll Wehmut tief berührt,
dass es mit leisen, zarten Flügelschwingen
ein Ahnen des gesuchten Glücks verspürt.

Und weiter ging mein unruhevolles Schreiten
bis endlich ich des Lebens Sinn erkannt!
Und meine Seele kam aus unendlichen Weiten
als betend sie zu Gottes Füßen sank!

Entnommen aus der WBK-Morgenpost



Bleiben Sie gesund!

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18.08.2011